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Englandfahrt mit Gasballon

Sprung übers Wasser mit dem Gasballon.

Unverhofft kommt….. plötzlich könnte man in diesem Fall sagen.

Einmal England bitte!

Eigentlich hatten wir, Axel Hunnekuhl und ich, uns auf die Gasballon -Wettfahrt in Augsburg gefreut die am langen Wochenende vom 25. bis 28. Mai stattfinden sollte mit geplanten zwei Starts.

Da bereits am Montag der erste Start für Donnerstag abgesagt wurde und wir selber den starken Wind im Süden Deutschlands für Samstag sahen, begannen wir zu überlegen, was wir machen können alternativ.

Erste Tracks wurden berechnet für unsere Gegend und eine Fahrt ums angesagte Hochdruckgebiet mit Kern über der Nordsee in einem Kreisbogen nach Frankreich deutete sich als machbar an.

Dann kam die Komplettabsage aus Augsburg. Also weiter planen, denn fahren wollten wir auf jeden Fall bei dem Superwetter was angesagt war für Freitag.

Nun galt es die Richtung zu beobachten. Südbelgien sah auf der Luftfahrtkarte nicht gerade ballönerfreundlich aus. Ein Luftbeschränkungsgebiet reiht sich an das nächste. Teilweise bis FL195 hoch. Als dann zum Mittwochabend und am Donnerstagmorgen die Drehung auf den Ostwind früher kommen sollte als noch am Dienstag die Vorhersagen zeigten und die Fahrt über Nordbelgien gehen sollte, kamen erste Ideen ob England möglich wäre.

Wir hatten uns auf einen Start in Münster-Nienberge mit unserem „Eimermacher“ Ballon (1050cbm) geeinigt. Start Donnerstag zwischen 23:00 und 24:00 Uhr local.

Dann begann das Prüfen der Luftraumstrukturen in Belgien und England. Notams lesen. Plötzlich eine Nachricht von Benjamin Eimers, den wir als Unterstützung am Boden angesprochen haben, da es einer unserer ersten längeren Fahrten gemeinsam werden sollte, dass Trump in Belgien ist und ein 35NM Radius Sperrgebiet eingerichtet ist. Das wars nun mit der Fahrt oder? Gott sei Dank war Trump nur kurz in Belgien und das NOTAM war nur bis 24:00 am 25. Mai gültig. Wir würden erst späten Vormittag nach Belgien kommen. Aufatmen und weiter planen.

Eine Checkliste wurde erstellt was wir mitnehmen müssen / wollen und wer was hat. Schwimmwesten? Lieber mitnehmen, wir hatten zwei bei uns in der Ballonhalle in Nienberge, das wusste ich. Schlauchboot? Ich hab keins sagte Axel, ich auch nicht. Dann müssen wir Festland wieder erreichen wenn wir übers Wasser fahren!

Donnerstagmittag letzte Abstimmung mit Axel und seinen beiden Verfolgern Frank und Klaus, dass wir uns um 19:00 Uhr an unserem Startplatz treffen und in Ruhe den Ballon fertig machen.

Gesagt getan ging es am Abend los mit Füllen der Sandsäcke. Dazu nahmen wir die kleinen 10 kg Wettfahrtsäcke die damals extra gemacht wurden für den Eimermacher Ballon der schon mehrmals von den Amerikanern beim Gordon Bennett Rennen gefahren wurde.

60 Sack gefüllt, das müsste reichen. Axel und ich sind ja nicht die Fliegengewichte also werden wir keine 70 Sack oder mehr mitnehmen können. Für eine 23 Stunden Fahrt sollte es auf jeden Fall reichen.

Nachdem das Füllen und Einrichten des Korbes ohne Probleme verlaufen war hoben wir um 23:08 local mit 54 Sack a 10 kg ab in den sternenklaren Nachthimmel über Münster. Gemächlich ging es Richtung S-SW westlich an der A1 entlang auf das Ruhrgebiet zu. Zwischendurch waren wir so langsam mit 4-6 Knoten, dass ich zu Axel meinte, so kommen wir aber nicht nach England bis morgen Nachmittag.  Also etwas höher fahren. Auch dort blieb es zunächst langsamer als angesagt. Aber keine Sorge, noch sind wir erst grade oben. Wir hatten uns auf den Luftfahrtkarten den letzten Stand der Vorhersagetracks mit Post-It markiert um unsere tatsächliche Route mit der Vorhersage abgleichen zu können. Das erwies sich als hilfreich fand ich im Nachgang. Südlich Venlo nach Holland einzufahren war der erste Fixpunkt, den wir mit unseren Tablets und den Apps anpeilten. Zu weit nördlich an der Küste anzukommen könnte bedeuten wir müssen überlegen ob wir mit der Winddrehung um das Hoch England im Osten noch erreichen würden, ansonsten so scherzte Axel fahren wir bis Norwegen durch. Das war mir dann doch etwas lange über Wasser war meine Antwort darauf.

Einen tollen Blick auf das hell erleuchtete Ruhrgebiet mit seinen Städten erwartetet uns vor Sonnenaufgang. Es war wie immer ein toller Anblick. Das Chemiewerk in Marl taghell mit Lampen erhellt. Dann überfuhren wir den Rhein bei Moers und langsam wurde es hell. Die Sonne kam über den Horizont und wärmte unsere etwas müden Glieder.

Exakt südlich Venlo überfuhren wir die Grenze zu dem Zipfel südliches Holland bevor es nach Belgien gehen sollte. Da erwartete uns der erste Knackpunkt unserer Fahrt: Mehrere abgestufte Luftbeschränkungsgebiete rund um Kleine-Brögel in Belgien welches bis nach Holland reicht. Höhen bis 7500 Fuss hätte es zwar möglich gemacht drüber weg zu fahren aber wir wollten eher tief bleiben. Wir hatten die Deutsche Flugsicherung schon darauf angesprochen ob die Gebiete aktiv sind. Antwort: Ja permanent zumindest das bis FL 75.

Unsere Richtung zeigte, dass es eine Strömung gab bei der wir etwas nach NW fahren konnten und dann in anderer Höhe mehr nach SW. Wir beratschlagten ob wir es schaffen würden einen Bogen im Norden der Gebiete machen zu können und gleichzeitig vom Luftraum Eindhoven südlich vorbei zu fahren. Sollte möglich sein waren wir uns einig. Und tatsächlich fuhren wir durch das schmale Band zwischen beiden Luftraumgrenzen hindurch. Das sollte uns bei der weiteren Fahrt noch zwei Mal gelingen dass wir kritische Lufträume umfahren würden um uns unnötige Problemfaktoren und Funkverkehr zu ersparen. Die Geschwindigkeit war mittlerweile deutlich schneller geworden und wir fuhren mit etwa 17-19 Knoten Richtung Westen. Nach den ersten Lufträumen hatten wir eine zeitlang relativ viel Ruhe und konnten das schöne Wetter und unsere Fahrt genießen.

Dann kam Luftraum Brüssel der sich gefühlt und laut Karte über halb Belgien mit Untergrenzen Luftraum C  ab  1500 Fuss nach unten erstreckt. Ich habe bis jetzt nicht verstanden warum dort der Luftraum C so weit nach unten gelegt wurde. In Brüssel ist doch weniger Luftverkehr als in Frankfurt oder London behaupte ich. Man kann sich das auf Flight Radar online ja ansehen. Aber das können wir nicht ändern.

Benjamin hatte uns schon vor der Fahrt geschrieben: Meidet Brüssel wenns möglich ist. Luftraum C keine Chance durch zu kommen. Wenn dann früh mit Brüssel Radar Kontakt aufnehmen. Aber das war Gott sei Dank nicht nötig weil wir durch unsere etwas nördlichere Route zunächst unter dem Luftraum C fahren konnten bis NO von Antwerpen wo die Untergrenze bei 2500 Fuss war. Da war unser Motto, dann fahren wir drunter her. Das einzige Problem könnte die Thermik sein. Es war keine Wolke die ganze Strecke über zu sehen. Sehr trockene und klare Luft.

So allmählich mussten wir uns, nachdem Luftraum Brüssel passiert war, Gedanken machen ob wir den Sprung aufs Wasser wagen oder nicht. Bereits westlich von Antwerpen würden wir bei unserer Route schon mehr oder weniger nur über Wasser sein. Letzte Trackvorhersagen erreichten uns von Benjamin per Whats App. Wenn ihr rausgeht bleibt tief dann geht’s weiter Richtung Westen. Die beiden anderen Höhenlinien verhießen eine knappe Angelegenheit zu werden und England nur weit östlich an Land erreichen zu können. Wir kämpften regelrecht um jedes Grad weiter nach Westen und schauten permanent auf unser GPS und die Tablets. Gezielt ein paar Meter höher oder tiefer, ja wir haben wieder die 285 Grad wo es vorher 289 waren.

Sofern wir unter 295 Grad bleiben ist alles gut und jeden Kilometer weiter aufs Meer raus bringt uns bei der derzeitigen Richtung früher wieder an Land. Wir nahmen Ipswich in England als nächtes Ziel an und navigierten danach. Da unser Track die ganze Zeit südlich der gedachten Linie lag, war alles bestens. Holland übergab uns an London Info, die wir allerdings lange Zeit nicht erreichten. Dann klappte es aber auch hier problemlos mit der Kommunikation.

Nach gut 5 Stunden über Wasser konnten wir das Festland bei Harwich sehen und kurze Zeit später hatte unser Ballon festen Boden unter sich. Wir fuhren in etwa 2000 Fuss über Meerespiegel landeinwärts. Die wenigen Lufträume um Flugplätze auf unserer Fahrtlinie umfuhren wir wieder geschickt wie bereits in Holland und Belgien. Es war sicherlich etwas Glück dabei aber es war auch Arbeit. Etwas hoch und wieder tiefer um die Richtung zu ändern. Wir waren verschwenderisch mit Ballast kann man sagen. Da wir noch reichlich hatten war das nicht schlimm. Wir wollten ja keine zweite Nacht fahren.

Nächstes Ziel was wir in den Tablets markierten war die Stadt Cambridge. Dort gab es einen relativ großen Flughafen. Wir fuhren zweigleisig und sprachen mit London Info und nahmen Kontakt zu dem Flugplatz Cambridge auf.

Kurz bevor wir Cambridge erreichten startetet noch ein letztes Flugzeug und der Lotse sagte uns, dass nun Cambridge Radar in Minuten aus sei. Na gut, stört uns nicht. Als wir südlich Cambridge waren wollten wir mal den Bodenwind testen. Es schien grade eine etwas ruhigere Phase zu sein. Also Ballonsachen verstauen und Ventil leicht gezogen.

In etwa 500 Fuss ging es mit 15 Knoten vorwärts wo wir weiter oben 20 Knoten und mehr hatten.

Ich sagte Axel, dass in Fahrtrichtung ein schöner langer Weg frei von Leitungen kommt. Davor lag rechts die einzige Wiese weit und breit mit kurzen Gras. Als der Ballon im letzten Moment direkt auf die Wiese zusteuerte sagte ich zu Axel, die nehmen wir jetzt und landen. Man muss sagen es gibt in England nicht die Riesenauswahl an Wiesen, zumindest nicht dort wo wir waren und schon gar nicht  bei dem schnellen Wind am Boden sollte die Landefläche nicht zu klein sein.

Gesagt getan wir stiegen weiter ab. Über dem letzten Baum vor der Wiese löste Axel das Schlepptau welches sich prompt im Baum verfing und uns schlagartig kurz ausbremste. Als es sich löste fiel der Ballon dadurch relativ schnell zu Boden. Gut festhalten dachte ich nur. Es rumste einmal ordentlich und wir waren unten. Die Hülle wurde vom Wind schnell entleert. Axel saß unter den restlichen Sandsäcken im Korb etwas fest, konnte sich dann schnell befreien von der „Last“. Alles gut bei Dir fragte ich. Ja klar sagte Axel. Eine etwas sportliche Landung nach einer tollen Fahrt!

Unsere Rückholer waren in Sichtweite bei der Landung hatten uns etwas verloren, weil die Wiese nur über einen Hof der mit Tor gesichert war angefahren werden konnte. Ca. 20 Minuten nach der Landung war unser Verfolgerauto samt Crew auch da.

Es wurde zügig zusammen gepackt und in den nächsten Pub in Grantchester, wo wir gelandet sind, gefahren. Wir hatten gerade geparkt, da sprach uns ein Engländer an der unseren Ballonanhänger sah wir sollten noch 100 Meter weiter die Straße rauf, da gäb es eine Fliederkneipe oder so was.

Wir gehorchten und liefen die Straße weiter hoch. Was wir dann sahen war schon mehr als erstaunlich. 500 Meter von unserer Landestelle nach 20h Fahrt im Gasballon über die Nordsee nach England landen wir in einem Ort wo es eine Kneipe mit einem Ballonlogo gibt. Wenn das nicht Schicksal ist. Das „Blue Ball In“ war eine gemütlicher Pub. Wir genossen ein zwei Bier und etwas gutes zu Essen.

Müde und völlig erschöpft brachten uns die Rückholer auch sicher ins vorab von Axel gebuchte Hotel nordöstlich von London.

Am nächsten Tag nach einem britischen Frühstück das es in sich hatte vom Nährwert, fuhren wir nach London. Wenn wir schon mal hier sind müssen wir uns London ansehen. Axel war noch nie in der Stadt und ich vor vielen Jahren als Jugendlicher über ein Wochenende.

Wir parkten am Greenwich Park und fuhren mit einer kurzen Bootstour zur Tower Bridge. Ein unglaublicher Anblick mit alt und neu nebeneinander in der Skiline von London.

Wir verpassten nach einer etwas seltsamen und teuren Taxifahrt dann unsere geplante Fähre, konnten aber die nächste direkt nehmen.

Inklusive einem Stau bei Antwerpen auf dem Rückweg waren wir früh morgens am Sonntag wieder zu Hause. Es wurde schon hell.

Ich bedanke mich zuerst bei unseren Verfolgern: Klaus und Frank, die 1700 Kilometer Auto gefahren sind und natürlich bei Axel als Co-Pilot.

Glück ab bis zur nächsten aussergewöhnlichen Fahrt!

Daten der Fahrt:

Start am 25. Mai um 23:08 local in Münster-Nienberge

Landung am 26. Mai um 18:15 local bei Grantchester SW von Cambridge

Fahrtrecke: 640 Km

Luftlinie: Ca. 502 Km

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